Auszug aus dem Magazin: 

Das Erbe der Väter

Wenn die Finger mit Nüssen beschäftigt sind, redet sich’s leichter, sagt Werner Weber und drückt uns ein paar Walnüsse in die Hand. Wir sitzen mit dem 65-Jährigen auf seinem Weinberg, und unsere Blicke über die Rheinebene werden in weiter Ferne nur durch Wolken gestoppt. Werner Webers Vater kam in den 1950er-Jahren vom Kaiserstuhl nach Ettenheim und pflanzte neben Wein auch Walnussbäume. Heute besitzen die Webers mit 450 Bäumen die größte private Walnussplantage Südbadens. Ich musste einiges an Lehrgeld zahlen, sagt Werner Weber, schiebt sich seinen Hut zurecht und erzählt von dem Tag, an dem er die Walnussbörse in München falsch einschätzte und die ganze Ernte verbrennen musste, weil er darauf sitzen blieb. Nie wieder hat er sich seither so vertan. Obwohl er Weingut und Gastwirtschaft bereits an seine Kinder abgegeben hat, heißt es nach wie vor in der Familie: Das Walnussgeschäft macht der Opa. Das macht ihn sichtlich stolz, und damit da jetzt keine Rührung aufkommt, werden schnell noch laut ein paar Nüsse geknackt. Es ist nicht so leicht loszulassen, sagt Werner Weber und nimmt einen Schluck Walnussgeist, der Herz und Seele stärkt. Aber die Freiheit, eigene Fehler zu machen, will er auch seinen Kindern gönnen. Manchmal hatte der Papa recht, manchmal ich, sagt Elke Niemann in der Schnapsbrennerei „Talblick“. Und Papa Fridolin Zanger, der danebensteht, kann den stolzen Glanz in den Augen kaum verbergen. Er hat die Brennerei einst aufgebaut und nach alter Tradition gearbeitet. 

Vom Papa habe ich die Geduld gelernt, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, sagt Tochter Elke. Er hat in der Früh in den Apfel gebissen und gesagt, in zwei Stunden brennen wir. Dafür ist die Art anders, wie ich das Herzstück aus dem Brand hole, sagt sie und nimmt einen tiefen Schnupperer von der goldprämierten Wagenstädter Pflaume. Die studierte Chemikerin war erfolgreich in ihrem Job unterwegs, als sie vor neun Jahren plötzlich die Leidenschaft fürs Schnapsbrennen packte. Sie kehrte heim, ließ sich zur Brennerin und Schnapssommelière ausbilden, was ihr mit dem Vorwissen leichtfiel. Zwei Jahre dauerte es, bis Vater und Tochter zu einem richtigen Team wurden und der Papa ihre Übergenauigkeit augenzwinkernd zu schätzen lernte. Auch wenn seine alten Holzfässer nur mehr aus nostalgischen Gründen herumstehen dürfen, vergoren wird ja längst in modernen Edelstahltanks.

 

Phantome, die eigentlich keine sind

Das hier sind gebrauchte Holzfässer aus dem Burgund, sagt Sven Enderle und klatscht mit der Handfläche in der Garage, die ein Weinkeller ist, einem großen Fass auf den Bauch. Da drinnen ruht ein Pinot Noir, der so kultig und so rar ist, dass man meinen könnte, er sei eine Chimäre. Zwei kleine Weingärten betreiben die beiden Weinenthusiasten Sven Enderle und Florian Moll seit neun Jahren, ohne finanzielle Mittel, sogar die alte Weinpresse haben sie jemandem gratis abgeluchst. Nur das Wissen war groß und der Respekt vor der Natur. Im Weingarten wird nach Demeter gearbeitet, die Weine im Keller komplett in Ruhe gelassen, bis sie in Flaschen gefüllt werden. Alles per Hand. Ich bin ein Romantiker, sagt Sven Enderle, der mit seinem roten Bart und der drahtigen Figur gut und gerne als Waldgeist aus den Rheinauen durchgehen würde. Bis in die USA zu Weinpapst Robert Parker hat sich der Ruf von Enderle & Moll bereits herumgeflüstert, obwohl sie bei Verkostungen nie in Erscheinung treten. Wir sind so etwas wie unsichtbare Phantome, sagt Sven Enderle und lächelt belustigt. Doch das haben ja schon einige hier im Zauberland von Taubergießen geglaubt.

 

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Quelle: 
Servus Magazin